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19. Januar 2022
18:47
Heiko Dobler, Sie beschäftigen sich beruflich mit Erhalt und Schutz von historisch wertvollen Gebäuden und wohnen privat in einem modernen Bau neben der Brugger Villa Friedheim. Nun dient exakt Ihr Zuhause aufgrund seiner Nähe zur Villa Friedheim dem Eigentümer als Argument gegen deren Unterschutzstellung. Ein Dilemma?
Meine persönliche Wohnsituation tut ja eigentlich nichts zur Sache. Bei der Villa Friedheim kann man aber festhalten, dass sie mit umgebendem Park die typischen Merkmale dieser Bautypologie bewahrt hat – trotz der Tatsache, dass der Bruggerberg nicht mehr mit Reben bestanden ist und Terrassenhäuser sich ausgebreitet haben. Der Situationswert ist aus fachlicher Sicht dadurch nicht erheblich geschmälert. Die Denkmaleigenschaften der Villa Friedheim sind trotz der baulichen Veränderungen wohl sogar für den Laien erkennbar.
Was bedeutet es denn, wenn ein Gebäude als schützenswert eingestuft wird?
Richard Buser: Es gibt verschiedene Arten von Unterschutzstellungen. Zum einen die kantonale – sie betrifft nur die kantonsweit wichtigsten Bauten der jeweiligen Bautypologie und gehört in die Zuständigkeit des Kantons. Zum andern gibt es die kommunale Unterschutzstellung. Sie betrifft die auf kommunaler Stufe wichtigsten Bauten, die zur Identität und Geschichte einer Ortschaft beitragen. Die Beurteilung von Baumassnahmen liegt dann in der Verantwortung der Gemeinde. In diesem Rahmen entscheidet der Einwohnerrat nun in Brugg darüber, welche Gebäude unter Schutz gestellt werden sollen und welche nicht.
Der Gemeinderat entscheidet über die Unterschutzstellung dieser Gebäude: Und was ist dann Ihre Funktion in diesem Rahmen?
Buser: Unsere Aufgabe ist es, Bauten fachkundig anzuschauen und ins Bauinventar aufzunehmen. Es enthält eine systematische Bestandsaufnahme von kommunal schützenswerten Bauten und Kulturobjekten im Kanton Aargau. Wir gehen dabei durchaus in die Tiefe, schauen nebst der Bauweise die Geschichte eines Hauses an, fragen die Eigentümerinnen und Eigentümer nach dessen Wesen, beziehen die Umgebung mit ein und schaffen so aus vielen Puzzleteilen einen Gesamtüberblick.
Und was haben Sie konkret im Fall der Bauten gemacht, die morgen Abend im Einwohnerrat zur Debatte stehen?
Buser: Wir haben die Objekte im Rahmen der Inventarisierung beurteilt und als schutzwürdig eingestuft. Dies aufgrund einer fundierten Fachanalyse, bei welcher wir uns mit jedem einzelnen Objekt intensiv befasst haben. Die Umsetzung der Unterschutzstellung liegt nun bei den kommunalen Behörden. Und diese agieren auf ganz verschiedene Weise.
Inwiefern?
Dobler: Die Gemeinden tun sich unterschiedlich schwer in der Unterschutzstellung solcher Objekte. Windisch hat beispielsweise im Rahmen der gemeinsam durchgeführten BNO-Revision die Objekte fast vollständig umgesetzt. Ich als Brugger schaue diesbezüglich etwas neidisch über die Gemeindegrenze. Das baukulturelle Erbe von Brugg ist ja nicht weniger bedeutend als das von Windisch.
Aus Ihrer Warte heraus wünscht man sich also eher konservative Politiker?
Buser: (lacht) Im wahrsten Sinne des Wortes, ja – wenn damit eine bewahrende Haltung für unser Kulturgut gemeint ist.
Dobler: Man darf nicht ausser Acht lassen, dass historisches Kulturgut eine endliche Ressource bildet. Ist ein Objekt erst einmal verschwunden, geht auch die damit verbundene Geschichte verloren. Das, was folgt, trägt nicht immer zur Steigerung der Identität eines Orts bei.
Buser: Geschützt kann nur werden, was wir kennen. Deshalb inventarisieren wir Gebäude. Eine Nichtinventarisierung ist aber keine Aufforderung zum Abbruch. Durch unsere Arbeit befassen wir uns intensiv mit historischen Bauten. Wir wertschätzen und würdigen sie – durchaus auch im Interesse der Bauherrschaft.
Das steht aber im Gegensatz zum Argument des Stadtrats, der behauptet, er habe auf Wunsch des Einwohnerrats mit allen Eigentümern das Gespräch gesucht und einzig Armasuisse, die Besitzerin der Fröhlich-Scheune, sei an einer Unterschutzstellung interessiert.
Dobler: Die Zurückhaltung resultiert oft aus einer Unsicherheit, was ein Schutz denn genau bedeutet. Bei den konkreten Umbauprojekten sind Konflikte aber eigentlich eher selten, selbst an kantonal geschützten Bauten. Die Villa an der Stapferstrasse bildet mit ihrem qualitätsvollen Anbau eine schöne Brücke zwischen Alt und Neu. Auch das Ammelemähli zeigt vorbildhaft auf, wie ein solches Objekt umgenutzt oder auch erweitert werden kann, ohne dass der Charakter oder die Denkmalwerte verloren gehen. Bauliche Veränderungen und Umnutzungen sind bei diesen Objekten der gelebte Alltag. Das hat nichts zu tun mit dem vielzitierten Bild der Käseglocke oder einer Musealisierung.
Als Eigentümerin kann ich also trotz Unterschutzstellung meine knallrote Küchenkombination einbauen?
Buser: Selbstverständlich – wenn Sie dafür nicht gerade einen historisch einzigartigen Kachelofen abreissen müssen. Entscheidend ist, dass der Charakter des Hauses insgesamt erhalten bleibt. In diesem Rahmen ist sehr vieles möglich.
Dobler: Das ist nicht alles blanke Theorie. Aus einem Schützenhaus in Baden etwa wurden Eigentumswohnungen, aus Spinnereigebäuden in Windisch Loftwohnungen und aus einer Reithalle in Aarau ein Konzertraum – alles kantonal geschützte Bauten.
Buser: Die meisten Eigentümerinnen und Eigentümer haben ja ein enges Verhältnis zu ihrem Gebäude, das oft seit Jahren im Familienbesitz ist, sie haben ein Bewusstsein für das Haus und seine Geschichte und sind stolz darauf, es zu bewohnen.
Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen Heimatschutz und Denkmalschutz?
Buser: Die Denkmalpflege ist die staatliche Institution, welche gemäss ihrem gesetzlichen Auftrag für Inventarisierung und Erhalt historischer Bauten besorgt ist. Beim Heimatschutz handelt es sich um einen privaten Verein, der ähnliche Interessen Vertritt.
Gibt es auch in Brugg kantonal geschützte Objekte?
Dobler: Kantonal geschützt sind die wenigsten Bauten. Von den Objekten mit Dach, die auch genutzt werden, sind dies kantonsweit weniger als 0,4 Prozent. Dies sind nicht nur die kulturellen Speerspitzen wie die Klosterkirche Königsfelden, das Salzhaus oder die Habsburg, sondern auch wichtige Vertreter anderer Gebäudetypologien beziehungsweise Zeugen der ländlichen Baukultur. Die jüngste Unterschutzstellung betraf beispielsweise das vor Kurzem renovierte Stapferschulhaus oder die alte Post.
Und wie viele Bauten gibt es in Brugg, die Ihrer Meinung nach unter kommunalen Schutz gestellt werden sollen?
Buser: In unserem Inventar finden sich 55 Objekte, das ist für eine Stadt wie Brugg mit einem Ortsbild von nationaler Bedeutung angemessen. Bei den 55 Bauten sind die Altstadtbauten allerdings nicht mit eingerechnet.
Heisst das, die Unterschutzstellung der Altstadt funktioniert gut, was ausserhalb liegt und in Privatbesitz ist, lässt sich aber schwerer schützen?
Dobler: Die Situation in der Brugger Altstadt ist meiner Meinung nach vorbildlich gelöst und wird immer auch im Hinblick auf die Entwicklung hin betrachtet. Einige jüngere Umbauten, wie etwa diejenige im «Flusshaus» an der Hauptstrasse 64, zeugen von diesem Erfolgsmodell. Hauseigentümer werden bei den Renovations- und Umbauarbeiten unterstützt, auch finanziell, beispielsweise durch den Altstadtfonds. Die staatliche Unterstützung über die Beratung hinaus, für Massnahmen an Bauten in einem öffentlichen Interesse wird dabei sehr geschätzt und wäre allenfalls auch bei kommunalen Schutzobjekten zu prüfen.
Was den kommunalen Schutz angeht, stellen Sie beide Brugg nicht das beste Zeugnis aus. Welche Gemeinde im Aargau kann man sich aus Ihrer Sicht zum Vorbild nehmen?
Buser: Mich überzeugt, wie Linn das Thema gelöst hat. Das hat viel mit einer klugen Zonenplanung zu tun. Linn hat eine Dorfzone und eine Neubauzone – und die eine kommt der anderen nicht in die Quere.
Dobler: Von aussen gesehen, hat man zudem den Eindruck, die Linner seien überdurchschnittlich stolz auf ihr schönes Dorf. Das passiert nicht einfach so. Das hat damit zu tun, dass man auch als Einwohner das Dorf als Gesamtensemble wahrnimmt und wertschätzt.
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